Über den Energiestoffwechsel normaler menschlicher Thrombozyten

Abstract
Es wurden in ungewaschenen und mehrfach gewaschenen Thrombozyten quantitativ folgende Fermente der Glykolyse, des Pentosephosphat- und Zitronensäurezyklus, der Atmungskette, der Phosphatspaltung und der Transaminie-rungen bestimmt: Hexokinase, Diphosphofruktosealdolase, Trioseisomerase, L-a-Glycerophos-phatdehydrogenase, Phosphoglyceraldehydrogenase, 3-Phosphoglycerat-l -Kinase, Enolase, Pyruvatkinase, Milchsäuredehydrogenase, Glukose-6-Phosphatdehydro-genase, 6-Phosphoglukonatdehydrogenase, TPNH-Oxydase, Isozitronensäure-dehydrogenase, Succinodehydrogenase, Äpfelsäuredehydrogenase, globale Atmungskettenbestimmung, Myokinase, Mg++-aktivierte ATPase, Ca++-aktivierte ATPase, alkalische Phosphatase, Glutamat-Oxalacetat-Transaminase, Glutamat-Pyruvat-Transaminase. Außerdem wurden an ungewaschenen und mehrfach gewaschenen Blutplättchen Gesamtstoffwechselmessungen sowie Bestimmungen von Intermediär- und Endprodukten des Stoffwechsels vorgenommen, wie Glukoseverbrauch, Milchsäurebildung, Pyruvatbildung, CO2-Bildung, O2-Verbrauch, zusätzlich Bestimmungen der energiereichen Phosphate ATP, ADP und AMP. Folgende Ergebnisse wurden erhalten: 1. Die Blutplättchen enthalten die vollständigen Stoffwechselketten der Glykolyse, des Pentosephosphat- und Zitronensäurezyklus, die Atmungskette, 3 ATP-spaltende Fermente und Transaminasen. 2. Der Gehalt an glykolytischen Enzymen übersteigt bei weitem den Gehalt an Enzymen des oxydativen Kohlenhydratabbaues. 3. Die begrenzende Reaktion der Glykolyse in den Thrombozyten ist die Hexokinase-Reaktion. 4. Der Stoffwechsel der Blutplättchen im Vergleich zu anderen Zellelementen ist groß. 5. Auch unter aeroben Bedingungen wird über die Hälfte der abgebauten Glukose zu Pyruvat und Laktat glykolysiert; nur etwa 1/5 der Glukose wird zu CO2 und H2O verbrannt. ¼ der abgebauten Glukose wurde in den Stoffwechselendprodukten nicht wiedergefunden; es wird angenommen, daß sie zu Glykogen, Aminosäuren und Lipiden metabolisiert wird. 6. Der respiratorische Quotient (R.Q.) der Thrombozyten beträgt 1,1, was für einen vorwiegenden Kohlenhydratstoffwechsel spricht. 7. Der ATP-Gehalt der Blutplättchen ist auffallend hoch und liegt etwa 150mal höher als der ATP-Gehalt der Erythrozyten, bezogen auf das Gesamtprotein der Zellen. Das Verhältnis von ATP : AMP : ADP betrug bei unseren Messungen 3,1 : 2,3 : 1 und liegt damit in der Größenordnung anderer Organe. Dieser Befund spricht dafür, daß bei unseren Versuchsbedingungen die Plättchen nicht geschädigt wurden. 8. Unter dem Einfluß von 1 bis 3 Thrombozytenwaschungen kommt es zu einem weitgehenden Verlust der meisten für den Energiehaushalt wichtigen Enzyme, besonders der phosphatgruppenübertragenden Fermente 3-Phospho-glycerat-1-Kinase und Pyruvatkinase mit der Folge eines starken ATP-Verlustes der Plättchen. Der Zellstoffwechsel wird durch Plättchenwaschungen deutlich beeinträchtigt. 9. Enzym- und Stoffwechseluntersuchungen sollten wegen ihrer Beeinträchtigung durch Thrombozytenwaschungen möglichst an vom Plasma abgetrennten, ungewaschenen Blutplättchen durchgeführt werden. Vergleichende Untersuchungen an Plasmaenzymen zeigten, daß die Meßfehler durch anhaftende Plasmafermente unbedeutend sind und nur etwa 1 bis 10% ausmachen. 10. Eine direkte Abhängigkeit der Retraktionsfähigkeit der Blutplättchen von ihrem Energiestoffwechsel konnte durch Hemmversuche der ATP-liefernden Reaktionen der Glykolyse wahrscheinlich gemacht werden. Bei normaler oder erhöhter Thrombozytenzahl führen 1 bis 3 Waschungen zu einer eben noch erkennbaren Störung der Retraktion, die bei suboptimaler Thrombozytenkonzen-tration deutlicher wird. 11. Vergleichende Untersuchungen über die Enzymverteilungsmuster und die Berechnung der Anteile der einzelnen Enzymproteine am Gesamtprotein der Zellen weisen auf Ähnlichkeiten zwischen dem Stoffwechsel von Skelettmuskulatur und Thrombozyten hin. Beiden Zellelementen ist die Fähigkeit zu mechanischer Arbeit gemeinsam. *) Die Untersuchungen wurden durch eine Beihilfe des Marburger Universitätsbundes wesentlich gefördert. Wir danken ferner der Fa. C. F. Boehringer u. Söhne, Mannheim, und der Deutschen Laevosan-Gesellschaft für die großzügige Überlassung von Enzymen, Coenzymen und Substraten. **) Assistente presso L’Istituto di Patologia medica dell’Universita di Cagliari (Italia), z. Z. Stipendiat des Europarates an der Medizinischen Universitätsklinik Marburg/Lahn.