Die Auswirkungen der diabetischen Stoffwechsellage der Mutter auf das werdende Kind

Abstract
Die diabetische Frau, die in der Vorinsulin-Ära nur selten gravid wurde, ist heute ebenso fruchtbar wie die nichtdiabetische gleichen Alters. Außerdem ist die mütterliche Sterblichkeit durch Schwangerschaft und Geburt von 25—60% auf 0,2—0,5% abgesunken. Der Rückgang der Kindersterblichkeit, die 25—60% betrug, ist weniger deutlich. Die Folgen der Einwirkungen der mütterlichen Dyshormonose auf das Kind sind Aborte, Totgeburten, zu große Kinder, normal große Kinder mit ungeklärter Lebensinsuffizienz und mißbildete Kinder. Einen ungünstigen Einfluß auf den Schwangerschaftsablauf haben 1. ein schlecht eingestellter Diabetes; in der ersten Schwangerschaftshälfte droht der hypoglykämische Schock, in der zweiten Hälfte die Ketoacidose; 2. Veränderungen der mütterlichen Gefäße, deren Schwere dem Alter des Diabetes parallel geht; 3. die Schwangerschaftstoxikosen, die bis zu einer Höhe von 85% vorkommen. Das klinische Bild der Embryopathia diabetica ist abhängig vom Zeitpunkt des Einwirkens und der Schwere der Dyshormonose. Die Bauplanstörung in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten ist desto schwerer, je früher sie eintritt. Es kommt zu Mißbildungen wie Schädeldefekten, Anenzephalien, Hydrozephalus und Herzfehlern, multiplen Skelettdefekten und Nierenmißbildungen, die bei entsprechender Schwere in der frühen oder späten Schwangerschaft oder erst in der Neugeborenen periode zum Absterben des Kindes führen. Von den Lebendgeborenen haben ebenfalls etwa 10% Mißbildungen. In etwa 30—40% der Fälle kommt es zu abnorm großen Kindern, eventuell Riesenkindern (schwerer als 5000 g). Auch diese Kinder können Mißbildungen aufweisen. Eine Sonderform der Embryopathia diabetica ist die Embryopathia hypoglycaemica. Es wurden zwei Kinder beobachtet. Nach schweren, stundenlang dauernden hypoglykämischen Schocks in der ersten Hälfte der Schwangerschaft finden wir körperlich und geistig retardierte Kinder, die motorische Unruhe, Rigidität der Muskulatur, choreati-forme Bewegungen und Ataxie zeigen. Den beobachteten Gefäßstörungen der Mutter gehen Gefäßstörungen in der Placenta und beim Kind parallel. Der Verdacht auf Zusammenhänge zwischen ungeklärter Lebensinsuffizienz und Gefäßstörungen wird ausgesprochen. Bei einem Kind, das am fünften Lebenstage starb, konnte bei der Sektion kein pathologisch-anatomischer Befund erhoben werden. Die „zu großen” Kinder sind ödematös, haben eine eigenartige tomatenrote Farbe, dicke, aufgequollene, schlaffe Backen und zugekniffene Augen wegen der umgebenden Ödeme. Sie verhalten sich wie völlig unreife Frühgeborene. Ihre Aufzucht im Inkubator bei 90—95% Feuchtigkeit ist oft recht schwierig. Häufig treten Atemstörungen, Anfälle von Apnoe, Zittern oder Krämpfe und zunehmende Zyanosen auf; die Krämpfe sind nicht hypoglykämischer Natur. Die Fütterung erfolgt zweckmäßig erst nach einigen Tagen. Die Fülle der pathologischen Daten, die wir während der Schwangerschaft einer Diabetikerin bei der Mutter und nach der Geburt auch beim Kind finden und die für die Entstehung der Embryopathia diabetica herangezogen werden, ist schwer zu ordnen. Das Kind antwortet auf den Diabetes der Mutter mit einer Gleichgewichtsstörung seines gesamten Endokriniums. Die von der Mutter auf das Kind überkommende Hypoglykämie führt zum Hyperinsulinismus beim Kind, der durch seine bremsende Wirkung auf die Hypophyse zur Hypofunktion der Schilddrüse, der Nebenschilddrüse und der Nebenniere führen könnte; so wäre auch die Störung im Elektrolythaushalt mit der Retention von Salzen und der Bildung von Ödemen denkbar. Es wird der Verdacht ausgesprochen, daß der gleiche Faktor, der bei der Mutter im Laufe der Jahre zu Gefäßveränderungen in der Retina, der Niere und den Beckenarterien führt, auch die Gefäßveränderungen in der Placenta und beim Kind auslöst. Im Übergewicht des Kindes scheint sowohl der väterliche als auch der mütterliche genetische Faktor zum Ausdruck zu kommen, während die Embryopathien ausschließlich durch die Dyshormonose bzw. die Stoffwechselstörung der Mutter zustande kommen. Es ist nötig, in gemeinsamer Zusammenarbeit zwischen Internisten und Gynäkologen mittels Insulin schon vor Beginn einer Gravidität eine Normalisierung des Stoffwechsels der Diabetikerin zu erreichen. In den ersten drei Schwangerschaftsmonaten sollte die Mutter zunächst alle 14 Tage, später alle drei Wochen die ganze Schwangerschaft hindurch zur Kontrolle beim Arzt erscheinen. Der Blutzucker sollte 180 mg% nicht übersteigen. Hypoglykämien, Acidosen, Schwangerschaftstoxikosen, Fettsucht und Hochdruck sollten unbedingt vermieden werden. Die Entbindung, gleich welcher Art, soll möglichst terminnahe liegen. Eine termingerechte Entbindung wird man abwarten können, wenn die gesamte Schwangerschaft völlig komplikationslos verlief. Zur Schnittentbindung in der 37., spätestens in der 38. Schwangerschaftswoche wird man sich entschließen, wenn der Diabetes während der Schwangerschaft aus dem Gleichgewicht kam (Hypoglykämie, Schwangerschaftstoxikosen, Keto-acidose), ferner bei alten Erstgebärenden, bei lange bestehendem Diabetes mit Gefäßveränderungen (Retina-, Nieren-, Beckengefäße), bei Hochdruck und ausgedehnten Ödemen, bei drohendem Fruchttod und bei zu großem Kind. Fertility of the diabetic mother is now similar to that of the nondiabetic of the same age. Maternal mortality (during pregnancy and at birth)...