Abstract
Für den Gültigkeitsbereich der linearen phänomenologischen Ansätze lassen sich aus dem (erweiterten) Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik und den Onsagerschen Reziprozitäts-beziehungen folgende Sätze ableiten, die Verallgemeinerungen der Überlegungen von Prigogine darstellen: 1. Es gibt bei offenen homogenen Systemen, in denen sich chemische Reaktionen abspielen, stationäre Nichtgleichgewichtszustände, die sich durch ein Minimum der Entropieerzeugung in bezug auf (wirklich durchlaufene) Nachbarzustände auszeichnen. 2. Nichtgleichgewichtszustände in geschlossenen polythermen Systemen, die durch ein Minimum der Entropieerzeugung in bezug auf (wirklich durchlaufene) Nachbarzustände ausgezeichnet sind, entsprechen stationären Zuständen. 3. Nichtgleichgewichtszustände in geschlossenen kontinuierlichen Systemen, die durch ein Minimum der lokalen Entropieerzeugung in bezug auf (wirklich durchlaufene) Nachbarzustände ausgezeichnet sind, entsprechen stationären Zuständen ohne Ablauf chemischer Reaktionen. Präzisiert man diese Sätze durch Angabe der (physikalisch realisierbaren) Nebenbedingungen und schließt (zur Verallgemeinerung der Formulierung) chemische Reaktionen aus, so erhält man folgendes Theorem: Während des Ablaufs beliebiger Transportphänomene in geschlossenen Systemen nimmt bei gegebener Temperaturverteilung die (lokale) Entropieerzeugung genau dann einen (positiven) Minimalwert an, wenn ein stationärer Nichtgleichgewichtszustand erreicht ist. Fällt der betrachtete stationäre Zustand mit dem thermodynamischen Gleichgewicht zusammen, so gehen die obigen Sätze in die klassische Form des Zweiten Hauptsatzes über. Es liegt die Vermutung nahe, daß diese Sätze sowie ein von Prigogine und Defay an einem speziellen Beispiel verifiziertes Theorem über den Zusammenhang zwischen der Stabilität stationärer irreversibler Prozesse und den Extrema der Entropieerzeugung von noch allgemeinerer Bedeutung sind, als es ihre Ableitung erkennen läßt. Diese Vermutung wird durch die Tatsache gestützt, daß sich die Chapman - Jouguet sehe Bedingung für die Geschwindigkeit der stabilen Detonationswelle aus dem Satz ableiten läßt, daß der stabile stationäre Endzustand durch das Minimum der Entropieerzeugung längs der Hugoniot - Kurve charakterisiert ist. Die Extremalprinzipien von Onsager sind Variationsprinzipien, d. h. Extremalaussagen für virtuelle Verrückungen unter bestimmten Nebenbedingungen, die im allgemeinen nicht physikalisch realisierbar sind.