Abstract
Es werden die Grundzüge einer Theorie der Kristallplastizität gegeben, die in wesentlichen Punkten von den bisherigen Theorien abweicht. Die kritische Schubspannung wird nicht, wie üblich, als kritische Länge von Frank-Read-Quellen, sondern als Wirkung der Spannungsfelder der im Kristall als Netzwerk vorhandenen Versetzungen gedeutet. Die sogenannte Grundverfestigung, die im allgemeinen bei kleinen Abgleitungen überwiegt, kommt in erster Linie durch eine weitere Unterteilung dieser Netzwerkstruktur zustande. — Eine ausführliche Diskussion wird der Frage der Geschwindigkeit der Versetzungen gewidmet. Es läßt sich zeigen, daß zwar beim Gleiten im allgemeinen die kinetische Energie der Versetzungen keine Rolle spielt, daß jedoch bei allotropen Umwandlungen hohe Versetzungsgeschwindigkeiten auftreten können. Wo eine zahlenmäßige Prüfung der Theorien möglich ist (z. B. beim sogenannten logarithmischen Kriechen, bei dem sich eine Möglichkeit zur Bestimmung von Versetzungsdichten ergibt), erhält man gute Übereinstimmung. — Bei der Entwicklung der Theorie ist in erster Linie an die kubisch-flächenzentrierten und hexagonal dichtest gepackten Metalle gedacht, doch gelten die Grundgedanken auch für die übrigen verformbaren Kristalle. Auf einige der bei Ionen- und Valenzkristallen sowie bei Legierungen und raumzentrierten Metallen (Sprödbruch) zu erwartenden Besonderheiten wird eingegangen. Orientierungsabhängigkeit der Verfestigung bei hohen Verformungsgraden, allgemeine Theorie des Übergangskriechens und einige spezielle, mit der Bildung von „jogs“ zusammenhängende Probleme werden nur referierend besprochen; ihre ausführliche Behandlung erfolgt an anderen Stellen. Es werden eine Reihe von Experimenten — teils zur Prüfung, teils als Anwendung der theoretischen Vorstellungen — vorgeschlagen.