Abstract
Es konnte mit den Triphenylmethanfarbstoffen auf Grund in vitro gewonnener Erkenntnisse und Folgerungen eine neue Vitalfärbungsmethode ausgearbeitet werden. Den Ausgangspunkt der Versuche bildete die von Hantsch aufgestellte intramolekulare Umlagerungstheorie des farbigen Zustandes. Die Triphenylmethanfarbstoffe gehören nach Hantsch zu denjenigen Farbstoffverbindungen, deren Moleküle zu einer intramolekularen Umlagerung befähigt sind, sie werden durch Laugen in die farblosen tautomeren Formen umgewandelt. Die Reagensglasversuche von Karczag ergaben, daß die Triphenylmethanfarbstoffe nicht nur durch chemische Eingriffe, sondern auch durch elektrostatische Ladungen intramolekular umgelagert werden können. Die umlagerungsfähigen Farbstoffe werden daher durch die alkalischen Zellsäfte in farblose Verbindungen umgewandelt und auch im Kontakt mit den Blutzellen entfärbt. — Wir haben sodann in Tierversuchen nachweisen können, daß subkutan einverleibte Sulfosäurefarbstoffe, wie Fuchsin S, Wasserblau, Lichtgrün, Pyrrholblau, teilweise als farblose Karbinole im Blute zirkulieren und als solche zur Ausscheidung gelangen. In vorliegenden Versuchen konnte festgestellt werden, daß die Farbstoffmoleküle innerhalb des Tierkörpers eine Umwandlung in die tautomere und farblose Karbinolform erleiden, welche im Gegensatz zu den originalen Farbstoffverbindungen eine elektive Histotropie besitzen. Diese Histotropie der Karbinole, welche in unbehandelten Schnitten infolge Farblosigkeit der Karbinole unter dem Mikroskop nicht zu erkennen ist, wird durch Behandlung der Schnitte mit Salzsäure oder Formalinessigsäure bzw. durch Rückverwandlung der farblosen Karbinole in Farbstoffe und ihre mikroskopische Sichtbarmachung bewiesen. Mit Rücksicht darauf, daß die Gewebsfärbung durch Sulfosäurefarbstoffe keine indirekte ist, da diese zuerst aus einem farblosen Zustande zu farbigen Verbindungen regeneriert werden müssen, möchten wir die Methode als die indirekte Vitalfärbungsmethode nennen. Die mitgeteilten Versuche beziehen sich auf die drei umlagerungsfähigsten Triphenylmethansulfosäurefarbstoffe: Fuchsin S, Wasser blau und Lichtgrün. Die Methode kann an Versuchstieren in dreierlei Modifikationen ausgeführt werden, welche sich jedoch voneinander nur bezüglich der Dosierung, prinzipiell aber nicht unterscheiden. 1. Die Methode der Einzelversuche. 2. Die Methode der Vergleichsversuche. 3. Die Methode der kombinierten Färbungsversuche. Die Versuche ergaben das prinzipielle Ergebnis, daß diejenigen Triphenylmethanfarbstoffe, welche zu einer intramolekularen Umlagerung befähigt sind, in histologischer (wie auch in biologischer, chemotherapeutischer und klinisch-diagnostischer) Hinsicht von denjenigen abzutrennen sind, deren Moleküle keine intramolekulare Umlagerung erleiden. Es konnte gezeigt werden, daß gute und schlechte Färbbarkeit, vitales und avitales Färbungsvermögen, sowie die Elektivität der Farbstoffe mit der Umlagerungsfähigkeit ihrer Moleküle zusammenhängen und daß somit diese Farbkörper infolge ihrer Spezialstellung unter den Farbstoffen eine scharfe Unterscheidung erfordern. Dementsprechend ist bei diesen Verbindungen auch der Färbungsvorgang ein anderer. Die Methode der indirekten Vitalfärbung mit den genannten Sulfosäurefarbstoffen konnte bereits zum Studium der Bindegewebsbiologie und -pathologie bzw. zum Studium der Interzellularsubstanz und der zelligen Elemente des Bindegewebes angewendet werden.