Abstract
Beziehungen zwischen Plättchenstoffwechsel und Retraktion des Blutgerinnsels - unter besonderer Berücksichtigung der Thrombopathie Glanzmann-Naegeli* Es wird über den Enzymgehalt und den Energiestoffwechsel von Blutplättchen des Menschen und die Beziehungen zwischen dem Kohlenhydratstoffwechsel und Gerinnselretraktion berichtet. — Im einzelnen wurden quantitativ an isolierten Plättchen bestimmt: 14 Enzyme der Glykolyse, 3 Enzyme des Hexosemonophosphat-Zyklus, 5 Enzyme des Tricarbonsäure-Zyklus (Citronensäure-Zyklus) und der Atmungskette, 6 Enzyme des Phosphatstoffwechsels sowie 3 Fermente des Aminosäurenstoffwechsels. Es zeigte sich, daß der Gehalt der Plättchen an glykolytischen Enzymen sehr hoch ist und bezogen auf den Proteingehalt oder das Frischgewicht größenordnungsmäßig etwa dem der Herzmuskulatur entspricht. Auffallend hoch sind die Aktivitäten der Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase, 6-Phospho-gluconat-Dehydrogenase und Glutathionreduktase. Dagegen ist der Gehalt an Enzymen des Tricarbonsäure-Zyklus und der Atmungskette sehr niedrig, was mit der Mitochondrienarmut der Plättchen in Verbindung gebracht wird. Die Blutplättchen enthalten weiterhin hohe ATPase-Aktivitäten, die wahrscheinlich in einem dem Actomyosin ähnlichen kontraktilen Protein lokalisiert sind. Im Gegensatz zur quergestreiften Muskulatur besitzen sie praktisch keine Kreatinphosphat-Kinase und auch kein Kreatinphosphat. Entsprechend dem Enzymverteilungsmuster ist der Plättchenstoffwechsel (auch unter aeroben Bedingungen) vorwiegend glykolytisch. Trotz des Gärungsstoffwechsels ist der ATP-Gehalt der Plättchen auffallend hoch, er ist bezogen auf das Gesamtprotein etwa 25mal höher als in den Erythrozyten. Das Verhältnis von ATP zu ADP beträgt etwa 3:1. Die Retraktion des Blutgerinnsels wird eingeleitet durch die visköse Metamorphose der Plättchen. Während dieser fällt der ATP-Gehalt der Thrombozyten nach einer Exponentialfunktion um etwa die Hälfte ab, um während des weiteren Verlaufes der Retraktion nur wenig abzunehmen. Die gezielte Hemmung einiger Enzyme der Glykolyse, des Tricarbonsäure-Zyklus und der Atmungskette führt gleichzeitig mit einer ATP-Verminderung in den Plättchen zur Aufhebung ihres Retraktionsvermögens. Wir sehen hierin einen sicheren Beweis dafür, daß eine enge Beziehung zwischen dem Energiestoffwechsel der Plättchen und der Retraktion des Blutgerinnsels besteht. Auch mit Thrombozytolysaten ließ sich nach Zusatz von Thrombin, ATP und Magnesium-Ionen in ihrem Plasma eine normale Retraktion auslösen. Es wurden die Plättchen von 8 Patienten mit Glanzmann-Naegeli'scher Thrombasthenie (verlängerte Blutungszeit, Störung oder Aufhebung der Retraktion sowie Störung der Agglomeration und Ausbreitung der Plättchen bei im allgemeinen normaler Plättchenzahl) untersucht. Biochemisch ließ sich das klinisch einheitliche Untersuchungsmaterial in zwei Gruppen unterteilen: In Gruppe I (5 Fälle) wurde eine starke Verminderung der Aktivitäten der glykolytischen Enzyme Glycerinaldehyd-3-phos-phat-Dehydrogenase und Pyruvatkinase gefunden. Die Glykolyserate dieser Plättchen war vermindert, ihr ATP-Gehalt um etwa die Hälfte erniedrigt. In Gruppe II (3 Fälle) waren die Enzym-Ausstattung und die Glykolyse normal. Einheitlich war bei beiden Gruppen, daß sich mit den Plättchen in ihrem eigenen Plasma nach Zusatz von Thrombin, ATP und Magnesium-Ionen die Retraktion in vitro normalisieren ließ. Auch Magnesium-Ionen allein in hoher Konzentration (2—5 millimolar) besserten das Retraktionsvermögen der thrombasthenischen Plättchen erheblich. Dabei ließ sich ein sicherer Magnesium-Mangel im plättchenhaltigen Plasma bisher nicht nachweisen. Es wird diskutiert, daß in Gruppe I die Irretraktilität des Gerinnsels hauptsächlich auf einem genetisch bedingten inkompletten Enzymblock in der Glykolyse mit der Folge eines ATP-Mangels zurückzuführen ist, während in der Gruppe II bei normaler Glykolyse eine Störung in der ATP-Magnesium-Beziehung wahrscheinlich ist, da das Substrat der ATPasen ein Magnesium-ATP-Komplex ist. Fourteen glycolytic enzymes, three enzymes of the hexosemonophosphate cycle, five of the citric acid cycle and of the respiratory chain, six of phosphate metabolism, and three of amino-acid metabolism were measured for their activity in isolated platelets. The concentration of glycolytic enzymes was very high and, related to protein content or fresh weight, of the same order of magnitude as in myocardium. A high activity was found for glucose-6-phosphate dehydrogenase, 6-phospho-gluconate dehydrogenase, and glutathione reductase. But the concentration of enzymes of the tricarbonic acid cycle and the respiratory enzymes was very low, perhaps due to the low concentration of mitochondria in platelets. ATPase activity was found to be high: this enzyme is probably localized in a protein which resembles actomyosin. Contrary to striated muscle, there was little creatinephosphate kinase and no creatine phosphate. Platelet metabolism was largely glycolytic (even in aerobic circumstances). Despite this, ATP content was high (related to total protein, about 25 × that in R.B.C.). The ratio of ATP to ADP was 3:1. — Clot-retraction was initiated by viscous metamorphosis of the platelets. During this phase the ATP content fell exponentially to about half the control value; there was little further reduction. — Selective inhibition of some enzymes of glycolysis, the tricarbonic acid cycle and of respiration led to simultaneous ATP reduction and loss of clot-retraction. — Thrombocytolysates in plasma produced normal retraction after the addition of thrombin, ATP and...